Allerheiligen: Totenfeier der Stadt

1.November 2015 in gestern & heute

IMG_1660Am 1. November findet jedes Jahr auch eine Ehrung der Toten vor dem Denkmal für die Gefallenen der Kriege statt.

Normalerweise hält der Bürgermeister die Rede vor den Abordnungen der Feuerwehr, des Roten Kreuzes und des Bundesheeres, sowie den VertreterInnen des Stadt- und Gemeinderats. Er war heuer allerdings verhindert und so habe ich mich – wie üblich – in seiner Vertretung auf die Ansprache vorbereitet. Der Bürgermeister hat dann aber kurzfristig den 2. Vizebürgermeister, Ferdinand Rubel, mit seiner Vertretung beauftragt (der das dann eh auch sehr gut gemacht hat).

Ich hätte – ungefähr – folgendes gesagt:

Zu Allerheiligen und Allerseelen pflegen die Menschen in großen Teilen der Welt seit Jahrhunderten traditionell das Andenken ihrer verstorbenen Verwandten und Freunde.

Das offizielle Mödling – Kameradschaftsverbände, die humanitären Organisationen, allen voran die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz, sowie Mitglieder der politischen Vertretungsorgane, Bürgerinnen und Bürger – gedenkt seit vielen Jahren an diesem Tag und an diesem Platz der Opfer der Kriege und der politischen Gewalt, wie sie im vergangenen Jahrhundert in heute schwer begreifbarer Weise auch bei uns Platz gegriffen hat.
Wir denken in erster Linie an die hunderten jungen Männer, die weit weg von ihrer Heimat Mödling in zwei Kriegen ihr Leben lassen mussten; wir gedenken auch der vielen jungen Männer, die weit weg von ihrer Heimat hier in Mödling ihr Leben verloren; wir gedenken der Bürgerinnen und Bürger, die in ihrer Heimatstadt Opfer der Kämpfe wurden; wir gedenken der Opfer der politischen Verfolgung; wir gedenken auch derer, die in den blutigen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Kriegen hier, in ihrer Heimat Mödling ihr Leben ließen; und wir gedenken auch der Mödlingerinnen und Mödlinger, denen unsere Stadt Heimat war, bis sie ihnen mit Gewalt genommen wurde – und nur die Glücklichsten sich ins Exil retten konnten.

Wir trauern um jeden einzelnen Menschen, verneigen uns und ehren ihr Andenken.

Aber wir stehen als offizielle VertreterInnen unserer Stadt auch hier, um in der Erinnerung an unsere Toten den Blick darauf zu werfen, welche fürchterlichen Folgen politisch oder religiös motivierte / gerechtfertigte Gewalt von Menschen gegen Menschen hat, sei es in Form von Krieg, Bürgerkrieg, Terror oder Verfolgung – wo immer auf der Welt.

Wenn wir in den vergangenen Jahren an Tagen wie diesen die Illusion hatten, über vergangene Zeiten zu reden, dann zeigen uns spätestens die letzten Monate, dass die Menschheit nur schlecht in der Lage ist, aus Erfahrung zu lernen: wenige Flugstunden von hier sterben Menschen in einem apokalyptischen Mehrfrontenkrieg, werden Menschen auf Grund ihrer Einstellung oder ihres Glaubens verfolgt und bestialisch getötet, wird ihr kulturelles Erbe ausgelöscht. Und wieder haben nur die Glücklichsten eine Chance, dem durch Flucht zu entgehen.

Gewalt ist nicht, war nie und darf nie und unter keinen Umständen zu einem Mittel der Lösung von gesellschaftlichen, religiösen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen Problemen werden. Dieses Prinzip aufrecht zu erhalten und damit den Frieden zu bewahren ist den Völkern in den größten Teilen Europas während der vergangenen 2 Generationen gelungen – die Europäische Union wurde mit diesem Ziel gegründet.
Doch die Entwicklungen in der arabischen Welt lassen uns offenbar schnell unsere eigene Geschichte vergessen: eine Geschichte, die in Folge kriegerischer und politischer Gewalt gegen ganze Völker auch eine Geschichte massenhafter Flucht war und auch eine Geschichte von Menschen ist, die fern ihrer Heimat auf Hilfsbereitschaft und Verständnis gehofft haben – und viele eine neue Heimat auch hier in Mödling gefunden haben.

Es gibt keine Alternative zum friedlichen Zusammenleben der Menschen, der gegenseitigen Toleranz, der Achtung und der Hilfsbereitschaft. Es gibt keine Alternative, der Gewalt von Menschen gegen Menschen mit allen Mitteln entgegenzutreten – und nicht nur, wenn man gerade stärker mit den Folgen konfrontiert ist.

Aber gerade an einem Tag wie diesem muss der Blick auch darauf geworfen werden, was dem massenhaften und organisierten Töten den Weg bereitet hat, was erst die Voraussetzungen geschaffen hat, dass Menschen bereit sind, – auch auf Befehl – auf Menschen zu schießen. Es ist das Erzeugen eines Klimas der Ablehnung, des Misstrauens und des Hasses gegenüber Menschen mit anderer Nationalität, Religion, Sprache, Hautfarbe, Aussehen, Meinung oder was immer. Wir alle kennen die Parolen, mit denen die österreichischen Soldaten in den 1. Weltkrieg zogen (¨Serbien muss sterbien¨)  – und genau die gleichen Sprüche führten auch die Soldaten der anderen Kriegsparteien mit sich. Verbal wurde damit die Hemmschwelle für die Gewalt gesenkt: da geht es dann nicht mehr um den einzelnen Menschen, sondern um eine anonyme Masse von Feinden, ¨die anderen¨, die Bösen…

Denken wir heute gerade vor dem Denkmal für die vielen jungen Menschen, die in Mödling aufgewachsen sind, hier zu Hause waren, hier ihre Hoffnungen für ihre persönliche Zukunft träumten – und die ihre Jugend und ihr Leben meist unter grauenvollen Umständen in einem Krieg verloren, der nicht der ihre war; denken wir heute daran, nicht nur der politischen und religiös motivierten Gewalt, sondern auch einer Sprache entgegenzutreten, die nicht mehr den einzelnen Menschen und das Miteinander, sondern die Abgrenzung und die Ablehnung ¨der anderen¨ zum Inhalt hat.

Treten wir – jeder mit seinen Möglichkeiten und von seiner weltanschaulichen Position aus – für Toleranz und Frieden und für gewaltfreie Formen zur Lösung von Konflikten ein. Und stellen wir bei allem unserem Denken und Sagen die Menschlichkeit und den gegenseitigen Respekt in den Vordergrund.

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