Nur ein Erkenntnis ... ?

2.Juli 2016 in dramatisch, herausfordernd

Der VfGH hat gesprochen und in einem Rechtsstaat ist damit eine Entscheidung getroffen worden, die es zu respektieren gilt.

(Heute nutzt der VfGH den Rechtsaußen. Sie zögern aber nicht, diese oberste politische Gerichtsbarkeit anzugreifen, wenn es ihnen nicht in den Kram passt, siehe Ungarn und Polen. Und wehe, der VfGH hätte gestern anders entschieden: dann wäre auch er zur Zielscheibe der Polemik von Rechtsaußen geworden).

Die Wahl wird also annuliert und wir werden erneut für Alexander Van der Bellen antreten.

Ein paar Gedanken seien aber doch erlaubt:

  • Was da jetzt als Schlamperei bei der Wahl beschrieben wurde und Grund der Anfechtung war, ist gelebte Praxis seit Jahrzehnten. Die FPÖ weiß darüber so gut Bescheid wie alle anderen Parteien. Wenn es irgend jemand (zB auch der FPÖ) ein Anliegen gewesen wäre, diese Vorgänge abzustellen, hätten sie das seit immer zum Thema machen können – und mit ihren Vertrauensleuten in den Kommissionen jeweils darauf hinweisen können. Aber nein: sie haben es – mit Krokodilstränen – aus der Schublade geholt, um eine Wahl umzudrehen, die sie verloren haben. Sie haben damit Österreich als ganzem großen Schaden zugefügt, das Vertrauen in die Institutionen und die politische Stabilität in diesem Land wieder ein bißchen untergraben. (Dass internationale Wahlbeobachter nach Österreich kommen werden, ist ja wohl eine Schande erster Güte!).
  • Worüber so großes Entsetzen herrscht, sind formale Abläufe. Es wurde keine einzige Manipulation gefunden – sie wurde nicht einmal behauptet. Dass Kuverts zu früh geöffnet wurden, ist doch wohl kein echtes Problem (wenn es vor Zeugen erfolgt ist). Dass in einem Dorf in Niederösterreich Minderjährige wählen durften, ist schon absurd. Aber kann man die Wahlkommission dafür nicht belangen, ohne eine Wahl aufheben zu müssen?
  • Dass (wie schon immer) zu früh weiter gegebene Wahlergebnisse ein Problem seien, dass aber jede Form von „Umfrage-„Ergebnissen bis knapp vor der Wahl keine Beeinflussung der WählerInnen sei, ist meiner Meinung nach ein bißl sehr weltfremd.
  • Was zu einer Volkswahl dazu gehört, wie das gleiche und geheime Wahlrecht, ist die Durchführung der Wahl meist durch ganz normale BürgerInnen als Mitglieder von Wahlkommissionen: Leute, die sich für wenig/kein Geld einen Sonntag lang (und in den Bezirkswahlbehörden auch am Montag) in die Wahllokale setzen und bei der Administration und Auszählung mithelfen. Da kann schon einmal etwas passieren, was sich Juristen nicht vorstellen können oder wollen.
    Noch einmal: es darf niemals auch nur der Eindruck entstehen, dass tatsächlich das Wahlergebnis beeinflußt wird! Das war aber bei der BP-Wahl ohnehin nie Thema.
    Anders als bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich: dort werden von KandidatInnen persönliche Stimmzettel ausgeteilt und manche BürgerInnen kommen mit diesen Zetteln ins Wahllokal. Sie bekommen dort aber natürlich auch einen offiziellen Stimmzettel mit in die Wahlzelle. Manche Leute stecken dann sowohl den offiziellen, als auch den vorgedruckten, persönlichen Stimmzettel in das Kuvert. Dann sind zwei Stimmzettel in einem Kuvert. Beim Öffnen der Kuverts müssen solche doppelten Stimmen sofort zusammengeheftet werden. Aber in x Fällen funktioniert das nicht (weil die Klammerlmaschine leer ist, weil jemand – hoffentlich nur unbeabsichtigt – daneben klammerlt oder weshalb immer. In solchen Fällen wird aus einer Stimme zwei! Das ist eine wirkliche Verfälschung des Wahlergebnisses!
    (Übrigens: wir GRÜNE verwenden keine privaten Wahlzettel).

Mit dieser Entscheidung zur Aufhebung der Stichwahl sind die Verfassungsjuristen auf der sicheren Seite: niemand kann ihnen vorwerfen, ein Auge zuzudrücken. Und ja: das ist das Gute an diesem Erkenntnis.

Aber wie wird sich die Nachwahl politisch auswirken?

Voraussichtlich wird die Wahlbeteiligung niedriger sein. Wie sieht es mit der politischen Legitimation eines Bundespräsidenten aus, der dann mit weniger Stimmen gewählt wurde, als bei der aufgehobenen Stichwahl? Oder was ist, wenn es auch bei dieser Wahl wieder „Hoppalas“ gibt? Und was ist mit allen kommenden Wahlen: werden wir so lange wählen, bis zu keinem Ergebnis in keinem Sprengel mehr irgend ein Haar in der Suppe gefunden werden kann (erheblich oder unerheblich)?

Dient das der Demokratie oder macht es die Demokratie in Konsequenz lächerlich?
Und gibt es möglicherweise eine Strategie einer politische Formation, für die zweiteres durchaus gewünscht ist?

4 Kommentare Kommentieren

Kommentare

  1. Wenn man NÖ Landtags- und Gemeinderatswahlen der BP-Wahl gegenüberstellt, das jetzige Urteil des VFGH dazu nimmt, dann darf man sich aber auch nur mehr wundern…

    Mir ist schon klar, dass sich Juristen gerne auf die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sichere Seite schlagen, aber wie muss es denn einem Juristen im Land Niederösterreich dann gehen?

    Klaus, 09/07/16 04:41

  2. Das Erkenntnis des VfGH ist zu respektieren – ohne wenn und aber.

    Nicht ohne Grund hat der Präsident des VfGH bei der mit Spannung erwarteten Verlesung gleich zu Beginn angemerkt, dass es mit diesem Erkenntnis keinen Gewinner und keinen Verlierer gibt. Gewonnen hat und gestärkt wurde durch dieses Erkenntnis das Vertrauen in den Rechtsstaat, was von den meisten Kommentatoren auch so bewertet wurde.

    Aber nicht nur das Erkenntnis ist zu respektieren, sondern auch das RECHT eines j e d e n wahlwerbenden Kanditaten, ein Wahlergebnis d a n n anzufechten, wenn es seiner Meinung nach Rechtswidrigkeiten und/ oder Manipulationen gegeben hat, oder gegeben haben könnte.
    Wer in diesem Zusammenhang mit einer solchen a b s o l u t l e g i t i m e n Wahlanfechtung krude Verschwörungstheorien in die Welt setzt, erweist dem
    Rechtsstaat und der Demokratie keinen guten Dienst.

    Dass es bei der kommenden Stichwahl eine niedrigere Wahlbeteiligung geben wird, ist gar nicht so sicher. Im Gegenteil weisen viele Umfragen – was ist an Umfragen so schlecht (?) – darauf hin, dass die Wahlbeteiligung gleich wie zuletzt, oder sogar höher sein wird.

    Aber selbst wenn die Wahlbeteiligung geringer sein sollte, was hat d a s bitte schön mit der Legitimation oder auch Reputation des am 2. Oktober gewählten Kanditaten zu tun ? ? ? Das ist wirklich schon ein an den Haaren herbeigezogenes Argument…….

    Niedrige Wahlbeteiligungen sind demokratiepolitisch höchst bedauerlich, sie haben aber s i c h e r k e i n e n E i n f l u s s auf die Legitimation eines gewählten Kanditaten oder einer gewählten Körperschaft – auf welcher Ebene immer.

    W ü r d e dieses Argument stimmen, dann müsste die Legitimation des gesamten Mödlinger Gemeinderates e r h e b l i c h in Zweifel gezogen werden.

    Mödling hatte bei den letzten GR-Wahlen 2015 mit nur 48,94 Prozent (!!!) die drittschlechteste Wahlbeteiligung aller 564 wählenden Gemeinden in Niederösterreich. Die rote Laterne trug Semmering mit 43,98 vor Schwechat mit 48,68 Prozent.
    Wenn n i c h t e i n m a l j e d e r z w e i t e Wähler/jede zweite Wählerin Mödlings von seinem/ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, so ist das traurig und bedenklich, ä n d e r t a b e r n i c h t s d a r a n, dass durch die Wahl die 41 gewählten weiblichen und männlichen Mandatare legitimiert sind, ihr Amt auszuüben.

    Nebenbei sei gesagt, dass g e r a d e die geringe Wahlbeteiligung in Mödling und im gesamten „Speckgürtel“ um Wien den Grünen politisch m a s s i v genützt hat, besonders in der Stadt Mödling selbst.
    Das hat vermutlich weniger mit den Themen selbst, als mit dem Umstand zu tun, dass es den Grünen offfenbar weit besser, als anderen Wahlwerbern gelingt, ihren Wählerinnen und Wähler auch zur Wahlteilnahme zu motivieren.

    anninger, 10/07/16 08:17

  3. Ich nehme zur Kenntnis, dass auf der grünen Homepage – j e d w e d e – Kritik absolut unerwünscht ist.

    Abdrehen, Abwürgen, Z e n s u r i e r e n – alles, was die GrünInnen anderen ununterbrochen vorwerfen, feiert auf der Homepage der Selbstgerechten, über alles erhabenen Tugendwächter fröhliche Urständ.

    Das erinnert wirklich an kommunistische Diktatur und ich kann – aus diesem Blickwinkel, sehr gut verstehen – dass die frühere grüne Gemeinderätin Zimov diesem gnadenlos korrekten und grenzenlos von sich eingenommenem Klüngel den Rücken gekehrt hat.

    anninger, 11/07/16 10:21

  4. Kritik wird nicht abgedreht – DAS ist Verschwörungstheorie.
    Allerdings behalte ich mir vor, Kommentare explizit frei zu schalten. Nicht, weil Zensur statt findet, sondern weil ich jeden Tag ca. 10 Spam-Kommentare bekomme, die niemand interessieren.
    Und, ja: ich hab mir erlaubt, die vergangenen 2 Wochen nicht online und nicht in Mödling zu sein…

    Gerhard, 24/07/16 10:26

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