Resolutionen im Gemeinderat zu Geflüchteten: zum Schämen!

15.Dezember 2018 in heikel, interessant, wichtig !!!

Beim Gemeinderat am 14. Dezember kamen 3 Resolutionen zur Abstimmung, die Geflüchete zum Gegenstand hatten:

1. eine gemeinsame Resolution von ÖVP, SPÖ und uns GRÜNEN zur Frage des Aufenthalts von Lehrlingen, deren Asylansuchen abgelehnt wurde.

Es gibt ja eine relativ breite Bewegung, die sich dafür einsetzt, Lehrlinge in Mangelberufen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, trotzdem einen Aufenthalt zu bewilligen: das wäre eine win-win-Situation, sowohl für die jungen Menschen, die sich offenbar entschlossen haben, sich zu integrieren, die Spreche zu lernen und eine Ausbildung zu durchlaufen; aber auch für die UnternehmerInnen, die für verschiedene Aufgaben Lehrlinge suchen, für die keine / zu wenig ÖsterreicherInnen zur Verfügung stehen.

In der Resolution wird vorgeschlagen, Personen ohne Asylstatus, die eine Lehre absolvieren, einen humanitären Aufenthaltstitel zu erteilen.

Darüber hinaus sollte ein weiterer Aufenthaltstitel „Lehrausbildung“ zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis geschaffen werden.

Über die Formulierungen in diesem Antrag war im Vorfeld lange diskutiert worden, bis wir eine gemeinsame Formulierung gefunden haben, die vernünftig und sachlich ist, und in der Situation eine sinnvolle Perspektive aufzeigt.

Die Resolution wurde mit lediglich 4 Gegenstimmen (FPÖ) angenommen.

2. eine Resolution der SPÖ zur Lehre für Asylwerbende in Mangelberufen

Die Resolution fordert eine Lösung, die ermöglicht, dass AsylwerberInnen nach – negativem – Abschluss des Asylverfahrens nicht von ihrem Ausbildungsplatz abgeholt und abgeschoben werden, sondern die Lehre zu Ende führen dürfen.

Der Unterschied zur Resolution 1 ist aus meiner Sicht lediglich, dass in der Erläuterung der Resolution formuliert ist, dass Lehrlinge auch während des Asylverfahrens eine Lehre beginnen können sollten. (Das ist momentan praktisch nicht möglich, obwohl der EuGH für Menschen, deren Asylverfahren schon länger als 9 Monate dauert, den freien Zugang zum Arbeitsmarkt möglich macht).

Die FPÖ hat in der Diskussion natürlich wieder die NGOs angegriffen, die für die langen Asylverfahren verantwortlich seien. (Rechtsstaat und Berufungsmöglichkeiten sind da egal: das „gesunde Volksempfinden“ würde die Verfahren sicher verkürzen…).

Diese Resolution wurde von FPÖ und ÖVP abgelehnt und fand somit keine Mehrheit (wir GRÜNE stimmten zu).

3. eine Resolution der FPÖ „Nein zu Kriminellen in St. Gabriel“, die sich gegen die Unterbringung von straffälligen Asylwerbern in Ballungszentren, insbesondere in St. Gabriel ausspricht.

Zu dieser Resolution hat es eine lange Diskussion gegeben.

SPÖ und GRÜNE haben argumentiert, dass Menschen, auch wenn sie Straftaten begehen, gleich zu behandeln sind; dass ein Freiheitsentzug nur von dem Gericht veranlasst werden darf; dass ansonsten „auffällige“ Jugendliche in speziellen Betreuungseinrichtungen zu betreuen sind, wie etwa auch im Sozialtherapeutischen Betreuungszentrum in der Hinterbrühl – oder jetzt eben auch in St. Gabriel. Es wurde auch auf die „Drogenstation“ des Anton Proksch-Instituts in der Vorderbrühl verwiesen, vor dessen Errichtung es in Mödling vor 40 Jahren ähnliche – unappetitliche – Diskussionen mit entsprechender Dämonisierung der dort Betreuten gab (das waren freilich keine Ausländer oder gar Flüchtlinge).

Es geht auch überhaupt nicht darum, Verfehlungen von wem immer – auch nicht von Geflüchteten – zu verharmlosen.

Aber es ist fragwürdig, gerade Themen von Kriminalität „spontan“  auf die öffentliche Bühne zu holen und zum Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen zu machen: es war in Österreich gute Tradition, in solchen Fragen ruhig und besonnen nach Lösungen zu suchen, und eben nicht, die Volksseele anzustacheln (das galt bisher für alle Fälle von insbesonders Gewaltverbrechen).

FPÖ (und in ihrem Schlepptau leider auch die ÖVP) nutzen aber jede Gelegenheit, für Ausländer und insbesondere Geflüchtete „Sonderbehandlungen“ zu fordern und auch umzusetzen, zB mit Ausgangssperren (in Drasenhofen auch mit Stacheldraht um die Unterkunft). Oder auch mit der Forderung, die Einrichtungen „irgendwo anders“ hinzuverlegen – wo die FPÖ mit Sicherheit die gleiche Kampagne lostreten und den selben Radau veranstalten würde, wie jetzt hier bei uns. Denn der FPÖ geht es nicht um Lösung von Problemen (oder den angeblich so wichtigen Schutz der Bevölkerung), sondern darum, immer wieder Ressentiments zu schüren und die Diskussion um AusländerInnen, insbesondere Geflüchtete am Laufen zu halten. Denn das ist ihre (der FPÖ) einzige Daseinsberechtigung: das – zum Glück heute noch – verbale Hinhauen auf Schwächere. (Und wären es nicht straffällige unbetreute Jugendiche aus Afghanistan, dann würden sie schon andere finden, gegen die man Misstrauen und Angst säen kann).

Argumentiert wurde die Zustimmung durch die ÖVP, dass der Bezirk Mödling der reichste nach der Inneren Stadt in Wien sei und es nicht zumutbar sei, hier Jugendliche mit besonderem Betreuungsbedarf unterzubringen (das wurde wirklich genau so gesagt!).

Diese Resolution wurde mit den Stimmen von FPÖ, aber leider auch der ÖVP angenommen.

Ich finde das traurig. Erstens, weil ich nicht glauben will, dass diese große, „christliche“ Volkspartei sich in rechte Agitation und Polemik einspannen lässt, aber auch, weil ich gehofft hatte, dass die ÖVP in Mödling zumindest ein bisschen auf die Sichten ihres Koalitionspartners – nämlich uns GRÜNEN – Rücksicht nimmt. Die Zustimmung zu dem Antrag der FPÖ macht mich in dieser Hinsicht nachdenklich, zumal in einem Jahr die Gemeinderatswahl ansteht und es wieder darum gehen wird, mit wem die ÖVP in Zukunft regieren wird. Sollte wir gestern eine erste Entscheidung zu schwarz-blau erlebt haben?

Für uns GRÜNE ist die Haltung zu Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit jedenfalls unverzichtbar für eine konstruktive politische Zusammenarbeit.

Übrigens: ab sofort findet jeden Sonntag um 17.00h eine Kundgebung für Zusammenhalt und Menschlichkeit vor der Kirche St. Gabriel statt. Wir werden dort sein.

4 Kommentare Kommentieren

Kommentare

  1. Wenn der Club-Obmann der ÖVP und auch der neu gewählte Stadtrat für Sport, auch ÖVP, sich dagegen aussprechen, dass „Verbrechern Zuflicht in unserer gemeinde ggeben wird“ und die „woanders weggesperrt gehören“, dann zeigt sich wohl auch ein Wertewandel in der ÖVP. Bin gespannt, ob die Mödlinger BildungsbürgerInnen den Kurs der ÖVP bei der nächsten Gemeinderatswahl mittragen werden – vorstellen kann ich mir das nicht wirklich. Ich halte die MödlingerInnen für humanistisch gebildeter und vermutlich dann auch nicht von der ÖVP repräsentiert …

    Klaus, 16/12/18 02:38

  2. Nicht nur zum Schämen – es ist ein Ärgernis ersten Ranges
    Ich kann nur hoffen, dass die Stimme der Menschlichkeit wenigstens von den Grünen und der SPÖ weiter im politischen Diskurs klar und deutlich zu vernehmen ist. Die ÖVP hat mit dieser Entscheidung ihr Mandat als „christlich-soziale Partei“ abgegeben.

    Toni Salomon, 17/12/18 06:31

  3. Seit einiger Zeit häufen sich die Fälle, dass ehemaligen UMF mit subsidiärem Schutz der Aufenthaltstitel vom BFA wieder entzogen wurde, ohne dass sich diese jungen Männer irgendetwas zuschulden kommen lassen haben oder sich die Sicherheit in ihrem Herkunftsland Afghanistan verbessert hätte.
    Im Gegenteil: Sie haben ihren 2- bis 3-jährigen Aufenthalt dazu genutzt, den Pflichtschulabschluss zu absolvieren und in die HTL Mödling aufgenommen zu werden oder eine Lehre anzutreten. Sie haben Sprachlevel B1 bzw.sogar B2, werden von MentorInnen bzw. PatInnen unterstützt, haben Familienanschluss, österreichische Freunde – privat und in Vereinen. – Und Afghanistan ist in den letzten Jahren keineswegs sicherer geworden: Die unterstellte Zumutbarkeit der Rückführung ist in Wahrheit konstruiert!
    Zusammenfassend: Die betroffenen Afghanen wurden von Unterstützern des Flüchtlingsnetzwerkes Connect Mödling hervorragend integriert! – Und nun sind sie von einem Tag auf den anderen Abschiebekandidaten. Es ist eine Schande, wie hier mit Geflüchteten und mit deren Freunden und Betreuern umgegangen wird. Wir Mödlinger dürfen uns das nicht gefallen lassen!

    Wolfgang Buchebner, 18/12/18 07:11

  4. ÖVP … christlich-sozial … lange vorbei, die aktuelle Buberl-Partie ist aalglatt, Empathie-frei und kurzsichtig. Eine sehr traurige Entwicklung, als wäre ein Landesrat Waldhäusl nicht schon schlimm genug, nun mischt auch noch ein Hintner in dessen Fahrwasser mit. Bravo, ÖVP Niederösterreich!

    Keine schöne Zeiten.

    Peter, 25/12/18 08:34

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