Das Virus - und was manche daraus machen

28.März 2020 in ärgerlich, persönlich

Der Bürgermeister der Stadt Mödling sperrt Parkplätze, von denen aus man in den Wienerwald gehen kann, um Speziergänger*innen – speziell aus Wien – abzuwimmeln. Hier: Meiereiwiese (27.3.2020).

Es ist für uns alle eine ganz, ganz eigenartige und schon sehr beängstigende Zeit: einerseits die Angst vor einer Ansteckung, die Angst um seine Angehörigen, die Angst um den Arbeitsplatz und generell eine große Unsicherheit, was die Zukunft bringen wird. Und dann aber auch einfach das Gefühl, nicht mehr tun zu können, was man möchte, sich nicht mehr mit den Freunden und innerhalb der Famlie treffen zu können – oder einfach nur auf ein Bier zu gehen.

Man sieht aber auch, wie manche Menschen auf die Krise reagieren. Zum Beispiel unser Bürgermeister.

In seiner unverwechselbaren Art schreibt er vor kurzem in facebook:

„ZU HAUSE BLEIBEN !
Was gibt es da nicht zu verstehen ? Spazieren, radfahren, Hunde Gassi führen : Ja,  in der unmittelbaren Wohnumgebung…und nicht mit dem Auto irgendwo hinfahren !!! Das gilt für die Mödlinger, die mit dem Auto fast in den Wald fahren wollen und ganz besonders für die Wiener, die in Scharen und Gruppen unseren Mödlinger Wald heimsuchen…so geht es nicht…wir haben deshalb großräumig Parkflächen vor den Einstiegen zum Naturpark Wienerwald gesperrt…zu Hause bleiben…und ganz, ganz besonders  unsere ältere Generation  bzw. körperlich beeinträchtige Personen, die überhaupt ihr zu Hause nicht verlassen sollten… was gibt es da nicht zu verstehen? UND den wenigen, die es noch immer nicht verstehen wollen oder können, sage ich : Unglaublich, unverständlich und fahrlässig gegenüber den Mitmenschen !“

Wir alle – jedenfalls die allermeisten – wissen mittlerweile, wie sie sich zu verhalten haben. Und die allermeisten halten sich daran.

Wir wissen aber auch, dass es gesund ist, sich im Freien aufzuhalten und zu bewegen. Es gibt keinerlei spezielle Restriktionen für den Aufenthalt im Freien – über die allgemeinen Vorschriften (Abstand etc.) hinaus.

Aus der offiziellen Information der Bunderegierung:

Verkehrsbeschränkung – Verordnung nach dem COVID-19- Maßnahmengesetz

Was ist weiterhin möglich?

unter anderem:
*) Bewegung im Freien alleine (z.B.: Laufen gehen, spazieren gehen) und mit Menschen, die im eigenen Wohnungsverband leben oder wenn ein Abstand von mindestens 1 Meter zu anderen Menschen sichergestellt. Sportplätze dürfen nicht betreten werden!

Auch die Zufahrt zum Spazierengehen ist nur hinsichtlich der Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel eingeschränkt.

Die Bewegung im Freien einschränken zu wollen, ist unsinnig und kontraproduktiv.

Der besondere „spin“ ist allerdings der – für den Bürgermeister übliche – böse Seitenhieb auf Wien und die Wiener*innen. Beim Faschingsumzug, beim Weinfest, bei was-weiß-ich welchen Veranstaltungen noch, sind sie als Kund*innen willkommen. Aber im Grunde sollen sie bleiben, wo sie sind.

Ich glaube fest, dass wir in Zeiten der Krise Solidarität brauchen, Mitgefühl und Zusammenhalt. Das ist unter den aktuellen Bedingungen nicht immer einfach. Was wir aber definitiv nicht brauchen ist Gehässigkeit, Zynismus und schon gar keinen Lokalchauvinismus!

Viele Menschen gerade in Wien haben in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung keine ausreichenden Möglichkeiten, sich in der Natur aufzuhalten. Wir als Stadt Mödling können den Menschen, die in der Großstadt wohnen, nur mit wenig helfen: aber das wenige ist, ihnen den Zugang zum Wienerwald zu ermöglichen. Und genau das sollten wir uneingeschränkt tun.

Lesen Sie dazu auch einen Artikel „Corona-Frischluft-Guide: Sperrzonen für Wiener“ im profil.


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Es geht schon los...

12.März 2020 in jenseits, schräg

Die neue Stadtregierung ist noch nicht einmal zwei Wochen im Amt, schon passieren wunderliche Dinge:

Erst vor ein paar Monaten wurde die innere Neusiedlerstraße saniert: der Straßenzustand war – auch wegen der vielen Aufgrabungen und der Baustellen der vergangenen Monate – sehr in Mitleidenschaft gezogen.

Die Idee war, bei der Gelegenheit diese kleine Straße auch zu verschönern und entsprechend der aktuellen Trends in der Verkehrspolitik zu adaptieren.

Seit Ewigkeiten war die Neusiedlerstraße zwischen der Schillerstraße und der FuZo eine Wohnstraße (§76b StVO). Bis vor ein paar Jahren war die Einrichtung einer Wohnstraße die einzige gesetzliche Möglichkeit, eine Straße entsprechend zu beruhigen.
In Wohnstraßen ist das Betreten der Fahrbahn und das Spielen gestattet, das Tempo ist mit „Schrittgeschwindigkeit“ limitiert und das Durchfahren ist verboten. Eine Wohnstraße ist somit vor allem für auch auf Grund der Umgebung sehr ruhige Ortsteile geeignet. Seit Ende 2013 gibt es aber nun auch in Österreich Begegnungszonen. Dort ist das Fahren (auch das Durchfahren) zwar grundsätzlich gestattet, aber die Fußgänger*innen haben – auch auf der Fahrbahn – Vorrang. Das Tempolimit beträgt 20km/h. Begegnungszonen sind somit ein Mittel zur Verkehrsberuhigung in Bereichen, wo es zwar einen – schwachen – motorisierten Verkehr gibt, man ihn aber – realistisch – beschränken will. Gerade in solchen Straßen passt das Instrument der Wohnstraße nicht ganz, weil dort auch suggeriert wird, dass Kinder auf der Straße spielen. Und das ist in einer Straße wie der Neusiedlerstraße sicher nicht gegeben.

In Mödling gibt es – erfolgreich – Begegnungszonen in der Kloster- und in der Achsenaugasse. (Die Klostergasse war im Frühjahr 2014 die erste Begegnungszone in Niederösterreich.)

Dieses Miteinander auf der Fahrbahn bedeutet aber auch, dass man keine abgesonderten Gehsteige benötigt, weil ohnehin alle – legal – auf der Fahrbahn unterwegs sind.

Also haben wir 2019 die Gehsteige in der Neusiedlerstraße durch kleine Grünflächen ersetzt und sogar ein paar Bäume untergebracht. Zu deutlichen Reduktion der Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs wurden gepflasterte Querbänder gesetzt und in der Nähe zur FuZo die Straße zusätzlich verengt.

Das alles war selbstverständlich mit dem Bürgermeister besprochen, im Detail geplant (wie es das Gesetz vorschreibt), im Rahmen einer Verkehrsverhandlung mit der Polizei und einem Amtssachverständigen besprochen, so verordnet und entsprechend umgesetzt.

Das Problem

Leider fahren viele PKW-Lenker*innen in der Neusiedlerstraße zu schnell und lassen sich von der 20km/h-Beschränkung nicht beeindrucken. Und das wiederum führt dazu, dass sich – insbesondere ältere – Fußgänger*innen auf der Fahrbahn bedroht fühlen.

Nun gäbe es einige Maßnahmen, die die Stadt setzen könnte und die wir auch im Zuge des Umbaus angedacht hatten. Zum einen könnte man die Einfahrt in die Neusiedlerstraße von der Schillerstraße „bremsend“ gestalten: das Niveau des Gehsteigs entlang der Schillerstraße über die Einfahrt durchziehen (also höher machen als jetzt) und durch diese Erhöhung eine „Torsituation“ schaffen, durch die man an die Besonderheit dieser Gasse erinnert wird. Zum anderen kann man auch mit Bodenmarkierungen optisch bremsend wirken. Und man könnte – aber erst als letzte Maßnahme – Schwellen in der Neusiedlerstraße montieren.

Auch über das Umdrehen der Frauensteingasse haben wir schon im Herbst nachgedacht. Einige – wenige – PKW-Lenker*innen nehmen vor allem in der Früh die Frauensteingasse als Abschneider in Richtung äußere Neusiedlerstraße (und weiter zur HTL bzw. in Richtung B17). Gerade morgens gibt es nämlich oft Stau vor der Kreuzung Spitalmühlgasse / Neusiedlerstraße. Das Umdrehen der Einbahn würde jedoch eine kompette Ampelanlage in der Spitalmühlgasse statt der jetzigen Fußgänger*innenampel nötig machen – und das kostet ziemlich viel… Aber auch das wäre eine mögliche Maßnahme.

Was aber macht der Bürgermeister? Er ordnet an, dass die Neusiedlerstraße statt der Begegnungszone wieder zur Wohnstraße wird. Und zwar sofort und ohne jedwede weitere Untersuchung oder Geschwindigkeitsmessung und vor allem ohne die nötige Verkehrsverhandlung und auch ohne entsprechende Verordnung! (Eigentlich ist das gesetzwidrig.) Tatsächlich sind die neuen Schilder nun rechtlich nicht gültig. Das heisst, wer immer in den nächsten Wochen in der Neusiedlerstraße wegen welchem Delikt immer gestaft wird, kann beruhigt gegen die Anzeige berufen: er wird keine Strafe bezahlen müssen.
Das ist wirklich eine Wildwest-Aktion in der Verkehrspolitik: „einfach machen“ und nicht fragen, warum, wie und ob es bessere Maßnahmen gäbe.

Und warum diese Panik? Wohnt etwa der Bürgermeister selbst in der Neusiedlerstraße?

Die einsame Entscheidung des Bürgermeisters hat aber auch eine Reihe von negativen Konsequenzen:

Eine Wohnstraße darf nämlich nicht durchfahren werden. Das wurde in der Vergangenheit nicht wirklich beachtet, schließlich ist auch der Citybus durch die innere Neusiedlerstraße gefahren. Aber jetzt ist die ganze Situation amtlich im Fokus: da kann man den Pfusch nicht wieder aufleben lassen. Also muss die Ein-/Ausfahrt in/aus der FuZo beim Europaplatz (alte Feuerwehr) unterbunden werden. Das bedeutet, dass die Ausfahrt aus der Babenbergergasse ausschließlich über die Brühlerstraße erfolgen muss. Nun ist die Babenbergergasse an sich sehr eng und bisher fast ausschließlich den Fußgänger*innen vorbehalten. Da wird schon ein zusätzliches Auto auffallen – und erst recht der tägliche BILLA-Zustell-LKW. Und beim Raddatz wird´s ziemlich eng: LKWs werden da Probleme bekommen, durchzufahren. Auch die Flohmarkt-Standler werden keine Freude haben, denn die Brühlerstraße wird wohl ständig ganz offen gehalten werden müssen.

Alles in allem: eine unüberlegte und einsame Entscheidung des Bürgermeisters. Und niemand bremst ihn…

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