Einen Radweg rückbauen? Jetzt? In Mödling?

15.Juli 2021 in interessant, jenseits, sehr ärgerlich

Es war einmal der Neubau des Krankenhauses in Mödling. Ende 2019 war der Bau am Fertigwerden. Und so waren die Fragen der Verkehrsorganisation rund um das neue Haus aktuell.

Ich war damals Verkehrsstadtrat und so unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt.

Eine Frage war die Erreichbarkeit mit dem Öffentlichen Verkehr: Der Citybus wurde (neu) zum Haupteingang in die Restitutagasse verlegt.

Statt der ursprünglich geplanten Tiefgarage wurde vor dem Haupteingang in der Restitutagasse ein Parkplatz an der Oberfläche errichtet und nun musste auch die Zufahrt zu diesem organisiert werden: die Restitutagasse wurde deshalb geteilt betrachtet. Westlich von der Einfahrt zum Parkplatz (also zur Gabrielerstraße hin) war die Restitutagasse in beide Richtungen befahrbar, östlich der Einfahrt (also zur Payergasse hin) ist die Restitutagasse Einbahn.

Bleibt die Frage nach der Zufahrt mit dem Rad. (Damals wurden sämtliche Straßenbauprojekte auf Möglichkeiten zum Radfahren geprüft). Die Restitutagasse ist zwar 30km-Zone und in vielen Straßen mit diesem Tempolimit in Mödling ist Radfahren auf der Fahrbahn grundsätzlich vertretbar. Im Fall der Restitutagasse war aber doch viel Verkehr zu erwarten, ggf. auch in Notfällen mit höherer Geschwindigkeit (obwohl die Haupt-Rettungszufahrt in der Buchbergergasse liegt, ist die Notfall-Zufahrt für Private beim Haupteingang), führt eine Buslinie durch die Restitutagasse und ist sie wegen der geteilten Einbahnführung zusätzlich heikel. Und durch die Neuerrichtung der Restitutagasse war der Platz vorhanden. Also haben wir als Zufahrt zum Krankenhaus für Mitarbeiter*innen und Besucher*innen einen Radweg durch die Restitutagasse vorgesehen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Bürgermeisters (!) wurden entlang der Restitutagasse Rad- und Gehweg getrennt. So wurde die Restitutagasse geplant, am 25. September im Stadtrat (natürlich mit den Stimmen der ÖVP) beschlossen und in Folge auch genau so gebaut.

Der Radweg entlang der Restitutagasse ist Teil einer Verbindung durch die Schöffelstadt

Der Radweg entlang der Restitutagasse steht im Zusammenhang mit der Radwegeverbindung vom Bahnhof in Richtung Ma. Enzersdorf / St. Gabriel. 2019 wurde anlässlich des Umbaus der Gabrielerstraße im Abschnitt von der Wiener Straße bis zur Managettagasse beidseitig ein 2m breiter Mehrzweckstreifen fertig gestellt. Der Abschnitt zwischen der Managettagasse und der Restitutagasse soll(te) im Zug der Lösung beim Leiner-Gebäude realisiert werden. Am (östlichen) Ende der Restitutagasse ist ein gemischter Geh-/Radweg entlang der Payergasse bis zur Buchbergergasse und dann weiter entlang der Buchbergergasse bis zur Passauergasse geplant und bereits von der Verkehrsabteilung der BH genehmigt. Für diese Radverkehrslösung wurden vom Land Grundstreifen entlang der Payergasse und entlang der Buchbergergasse zur Verfügung gestellt. Die Weiterführung der Radverbindung sollte heuer (2021) errichtet werden.
Die Verbindung zur Grenzgasse und damit zur Ortsgrenze nach Ma. Enzersdorf führt über die Passauergasse, die tatsächlich wenig Verkehr aufweist und für Radfahrer*innen gegen die Einbahn benutzt werden kann.
Diese Radverkehrsanlagen würden also eine Verbindung vom Bahnhof nach St. Gabriel, gleichzeitig auch die Erreichbarkeit der Krankenhauses und eine zumindest teilweise Erschließung der Schöffelstadt für Radfahrer*innen bewirken. (Mir wäre eine Verbindung durch das Krankenhausareal lieber gewesen, aber die Gespräche mit den Planer*innen des Krankenhauses waren in dem Punkt nicht erfolgreich.)

Am Plan sehen Sie:
grün = Bestand
blau = Radfahren gegen die Einbahn
rot = Planung abgeschlossen
violett = Planung offen

Alle diese Anlagen sind fertig geplant, genehmigt und zum Teil (Gabrielerstraße und Restitutagasse) bereits fertig gebaut. Die Kosten für die Restitutagasse waren übrigens €216.000,-

Bei der Gemeinderatssitzung am 8. Mai hat der Bürgermeister mit einer Meldung für Aufsehen gesorgt, dass er den Radweg entlang der Restitutagasse für unnötig hält und für den Rückbau plädiert!

Und das in einer Zeit, in der weltweit und so auch in Österreich über die Notwendigkeit der Förderung des Radfahrens geredet wird, auch die NÖ Landesregierung das Radfahren zu einem priorisierten Ziel der Politik erklärt hat. In dieser Zeit denkt der Bürgermeister der Stadt Mödling ernsthaft darüber nach, einen gerade erst errichteten Radweg wieder zurück zu nehmen, den er selbst mit beschlossen hat! Und ich rede noch nicht vom Geld: zwei Jahre nach Errichtung eines Radwegs Steuergeld in die Hand nehmen, um den gerade gebauten Radweg wieder zu entfernen!

Gibt es so etwas irgendwo sonst auf der Welt?

P.S.: Insbesondere die SPÖ hat schon 2019 gegen den Radweg gestimmt und seither immer wieder Stimmung in der Richtung gemacht. Grund: „Asphaltwüste“. Der Bürgermeister – jetzt in Koalition mit der SPÖ – hat sich diese Sicht nun offenbar zu eigen gemacht.

Ja, auch ein Radweg wird asphaltiert. Tatsächlich könnten an Stelle des Radwegs in der Restitutagasse keine Bäume gesetzt werden, weil dort unter der Erde eine Gasleitung verläuft. Und auf Gasleitungen dürfen keine Bäume gesetzt werden. Allerdings hat die Krankenhausplanung am Rand des Parkplatzes – also zur Restitutagasse hin – erfreulicherweiss eine Reihe von Bäumen gestzt.

Aber, ja: wenn man dem Radverkehr Platz einräumen will, muss man Entscheidungen treffen. An der Südseite der Restitutagasse könnten übrigens Bäume gesetzt werden. Dort gibt es allerdings Parkplätze und die sind für ÖVP und SPÖ tabu. Es wurden und werden also Prioritäten gesetzt. Die Frage ist nur, welche.

Dass ausgerechnet die SPÖ ausgerechnet bei einem Radweg der Asphalt stört, ist schon bemerkenswert: die Versiegelung des Innenhofs in der Payergasse 28-32 (gleich um die Ecke) und das Fällen von 5 alten Bäumen zu Gunsten dieses Parkplatzes stört die SPÖ nicht (den Bürgermeister übrigens auch nicht). Und natürlich sind alle fanatisch für die Lobau-Autobahn in Wien. Aber bei einem Radweg fällt ihnen der Asphalt auf…

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