BM Hans Stefan Hintner, Gerhard Wannenmacher, StR Stephan Schimanowa, GR.in Barbara Kreuzer bei den Stolpersteinen für David und Johanna Rosenfeld
Heute, am 29. April 2022 wurden durch zwei Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt neun weitere Stolpersteine in Mödling verlegt.
Jakob und Gisela Hansel in der Ungargasse 24
Maximilian und Irma Hecht in der Meranergasse 2
Siegfried Kohn in der Hauptstraße 62
David und Johanna Rosenfeld in der Babenbergergasse 5
Charlotte Sensky in der Schillerstraße 54
Josefine Wolfsholz in der Payergasse 28
Es gibt eine umfangreiche Dokumentation über alle Mödlinger*innen, für die Stolpersteine in den Straßen der Stadt liegen: www.moedling.at/stolpersteine
Am 25. Juni 2004 wurde im Mödlinger Gemeinderat – auf Antrag von Stadtrat Mag. Berhard Knipel (ÖVP) – einstimmig beschlossen, „die Aktion Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig (…) durchzuführen und (…) zu gestatten, die entsprechenden Stolpersteine im Gehsteig vor den Wohnhäusern der Opfer einzusetzen“.
Zu diesem Zeitpunkt lagen in Österreich erst 3 Stolpersteine – seit 1997 – in St. Georgen (Salzburg), seit damals aber keine weiteren und somit auch in Niederösterreich keine.
Mödling war damit also Pionier in Sachen Gedenkkultur.
Zuerst musste jedoch recherchiert werden: durch die Arbeit des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) und des Archivs von Yad Vashem in Jerusalem (was die jüdischen Opfer betrifft) ist gut dokumentiert, wer während der Nazi-Herrschaft ermordet worden war. Weniger klar waren die Lebensumstände und auch der letzte freiwillige Wohnort der Opfer. Gerade letzteres ist aber für das Verlegen der Stolpersteine essenziell. Ein Meldewesen wie heute bestand vor 1938 nicht, zudem sind viele Unterlagen gerade auch in den letzten Kriegstagen verloren gegangen oder vernichtet worden. Eine besondere Schwierigkeit war die Eingemeindung von Mödling nach Groß-Wien im Herbst 1938, wodurch Aufzeichnungen transferiert und 1954 nicht wieder zurückgestellt worden waren.
Es war also einige Arbeit, um am 14. August 2006 dann endlich die ersten 14 Stolpersteine verlegen zu können.
Das mediale Echo war enorm: der ORF brachte einen Bericht sogar in der ZIB1 (2006 war das bedeutend!).
Der Standard, 11. August 2006
Gunter Demnig mit – im Uhrzeigersinn – Mag. Fastenbauer (IKG Wien), Gerhard Wannenmacher, Peter Gieler (Verwandter von Familie Kohn, für die an dem Tag 3 Stolpersteine verlegt wurden), Pfarrer Josef Denkmayr, SR Hilda Daurer (vom Orden der Hartmann-Schwesters, dem auch SR Restituta / Helene Kafka angehörte), Pfarrer Klaus Heine, StR Bernhard Knipel, StR Stefan Schimanowa und Bürgermeister Hans Stefan Hintner (damals auch Abg. z. NÖ Landtag).
Am Abend des Tags der Verlegung dieser ersten Stolpersteine fand im Festsaal des Landeskrankenhauses eine Veranstaltung zur Erinnerung an die Opfer der Nazi-Diktatur statt.
Mag. Fastenbauer, der damalige Generalsekretär der IKG-Wien
Den 14 Stolpersteinen 2006 folgten 8 weitere 2007 und 9 weitere im Jahr 2011.
Mit Ferdinand Tschürtz und SR Restituta / Helene Kafka liegen zwei Stolpersteine für politische Opfer in Mödling. Obwohl das Projekt nicht primär für jüdische Opfer angelegt ist, sind die allermeisten Toten in Mödling Opfer rassischer Verfolgung.
Während dieser 5 Jahre machte das Beispiel Mödling auch in anderen Städten in Österreich „Schule“, wobei wir in Niederösterreich bei der Gründung der Projektgruppen in Wr. Neustadt und in Neunkirchen mit unseren Erfahrungen ein bisschen helfen durften.
Insgesamt hat Gunter Demnig bis Ende 2021 rd. 75.000 Stolpersteine zum überwiegenden Teil selbst verlegt. Und auch die Steine selbst werden sämtlich händisch gefertigt. Auch das ist dem Künstler ein wichtiges Anliegen: Die einzelne, händische Fertigung jedes einzelnen Stolpersteins ist ein Akt des persönlichen Respekts jedem einzelnen Opfer gegenüber.
Zum Projekt an Ganzem gibt es eine große Zahl an Dokumentationen. Hier die URL der Original-Seite: https://www.stolpersteine.eu/. Und auch in Wikipedia kann man über das Projekt nachlesen.
In vielen Orten in Europa sind Stolpersteine mittlerweile oft zu sehen: hier 2 Steine in Berlin. Ich finde, dass jeder einzelne Stein ein kleiner Teil in einem Gesamtprojekt ist. Deshalb bin ich froh und finde es nach wie vor richtig, dass wir Teil des Werks von Gunter Demnig sind (auch wenn die Herstellung der Gedenksteine bei anderen „Lieferanten“ vielleicht billiger wäre – wie in Wien oder St. Pölten).
Am Freitag, 29. April werden / wurden in Mödling weitere 9 Stolpersteine für von den Nazis ermordete Mödlinger*innen gelegt.
Stolpersteine werden in Mödling seit 2006 verlegt. Mit den neuen werden dann insgesamt 41 Stolpersteine in den Straßen der Stadt liegen.
„Stolpersteine“ sind ein Projekt des deutschen Künstlers Gunter Gemnig. Demnig beteiligte sich bzw. initiierte schon früh diverse politische Kunstprojekte: so zog er in den 70er-Jahren mit einer Markiermaschine, die wir von den Tennisplätzen kennen, eine weiße Linie zwischen Berlin und Paris als Zeichen der Verbindung der Haupstädte der beiden Länder, deren Kriege in den vergangenen 150 Jahren Millionen Tote in Europa verursacht haben.
Ende der 90er-Jahre wurde Demnig aber vor allem mit den „Stolpersteinen“ bekannt. Messingplatten verlegt an den letzten freiwilligen Wohnorten von Opfern der Nazi-Herrschaft sollen den Opfern ihren persönlichen Platz wiedergeben. Die Erinnerung findet nicht (nur) in der Erwähnung in einer geschriebenen Dokumentation oder einem zentralen Denkmal statt, sondern dort, wo die Menschen tatsächlich gelebt haben. „Stolpern“ soll man nicht physisch (die Stolpersteine sind plan verlegt), sondern gedanklich. Die Stolpersteine in den Gassen der Orte sollen auch deutlich machen, dass es um Menschen geht, die Tür an Tür mit ihren wegschauenden Nachbarn gelebt haben – und von einem Tag auf den anderen nicht mehr da waren. Bis heute sind rd. 75.000 Stolpersteine in all den Ländern verlegt worden, in denen die Chergen der Nazis Menschen aus politischen und rassischen Gründen ermordeten. Die Stolpersteine sind somit als Netzwerk das größte – dezentrale – Mahnmal der Erde.
Mödling hatte 1938 eine kleine, aber nicht unbedeutende jüdische Gemeinde. In der Kultusgemeinde eingetragen waren ca. 350 Personen, in der Enzersdorferstraße stand eine repräsentative Synagoge, Juden beteiligten sich am Leben der Stadt – und angrenzend an den Friedhof der Stadt am Abhang des Eichkogels lag (und liegt heute noch) der jüdische Friedhof.
Nach 1945 waren keine Juden mehr in Mödling – und es wurde Jahrzehnte nicht über die geredet, die bis kurz davor noch als Arzt, Rechtsanwalt oder Geschäftsinhaber allgegenwärtig waren. Die Reste der Synagoge standen noch – überwuchert hinter einer Plakatwand. Der jüdische Friedhof wurde nicht mehr genutzt und zunehmend von Lianen und Knöterich in Beschlag genommen.
Ein Teil Lebens der Stadt war wie vom Erdboden verschwunden.
Bis in der 80er-Jahren drei Historiker aus Leidenschaft das Leben der Juden in Mödling zu rekonstruieren begannen: Roland Burger, Franz Rinner und Franz Strobl. Das Ergebnis ihrer Arbeiten veröffentlichten sie 1988 im Buch „AUSGELÖSCHT“ in der Edition umbruch, einem Mitte der 80er-Jahre gegründeten Mödlinger Autorenverlag.
Es war wohl die Initialzündung für eine schrittweise Befassung von zuerst wenigen Interessierten in der Stadt mit dem Schicksal der jüdischen Gemeinde und ihrer Mitglieder.
Auch im Gemeinderat war damals noch das provinziell-dumpfe Denken vorherrschend, das nichts von der eigenen Geschichte wissen wollte. Ein Vizebürgermeister der damaligen Zeit „zeichnete sich“ nicht nur durch die Suche nach Quellwasser, sondern auch immer noch durch seinen Fundus an Juden-Witzen „aus“. Und so lief auch die Diskussion im Gemeinderat anlässlich einer geplanten Ehrung für den Mödlinger Albert Drach 1991 nach dessen Ehrung mit dem Büchner-Preis. Aber letztlich wurde Drach – trotz Widerstands (!) – geehrt und auch unter den Gemeinderät*innen wollten sich einige nicht mehr länger mit dem „blinden Fleck“ in der Geschichte abfinden.
Es war der Initiative der Gemeinderätin Sylvia Unterrader und des jungen Stadtrats Bernhard Knipel zu verdanken, dass um die Jahrtausendwende die Idee eines würdigen Mahnmals für die zerstörte Synagoge und für ein Zusammenkommen mit aus Mödling Vertriebenen Gestalt annahm.
Im Herbst, anlässlich der 1.100-Jahrfeier der erstmaligen Erwähnung von Mödling wurde knapp neben dem früheren Platz der Synagoge in der Enzerdorferstraße ein Denkmal eingeweiht und wurden aus diesem Anlass ehemalige Mödlinger Familien zu einer „Reunion“ eingeladen. Zu der Zeit hatte sich eine Gruppe gebildet, die die Veranstaltung vorbereitet, die Gäste während ihres Aufenthalts betreut und in Folge versucht haben, die Kontakte aufrecht zu erhalten.
Empfang in der Hofburg
Denkmal für die Mödlinger Synagoge des Wiener Bildhauers Karl Novak
Die Gruppe, die das Reunion-Treffen begleitete war in Folge Kern bei den ersten Schritten auf der Suche nach Spuren von ermordeten Mödlinger*innen. Diskutiert wurde auch die Frage, in welcher Form ein würdiges Gedenken an diese Opfer in der Stadt möglich wäre. Berhard Knipel, der aus privaten Gründen bereits knapp vor seiner Übersiedlung nach Köln stand, hatte dort die ersten Stolpersteine von Gunter Demnig gesehen und uns in Mödling Gebliebene mit dem Projekt bekannt gemacht. Und wir fanden die Idee gut…