STOLPERSTEINE gegen das VERGESSEN (Vorgeschichte)
Am Freitag, 29. April werden / wurden in Mödling weitere 9 Stolpersteine für von den Nazis ermordete Mödlinger*innen gelegt.
Stolpersteine werden in Mödling seit 2006 verlegt. Mit den neuen werden dann insgesamt 41 Stolpersteine in den Straßen der Stadt liegen.
„Stolpersteine“ sind ein Projekt des deutschen Künstlers Gunter Gemnig. Demnig beteiligte sich bzw. initiierte schon früh diverse politische Kunstprojekte: so zog er in den 70er-Jahren mit einer Markiermaschine, die wir von den Tennisplätzen kennen, eine weiße Linie zwischen Berlin und Paris als Zeichen der Verbindung der Haupstädte der beiden Länder, deren Kriege in den vergangenen 150 Jahren Millionen Tote in Europa verursacht haben.
Ende der 90er-Jahre wurde Demnig aber vor allem mit den „Stolpersteinen“ bekannt. Messingplatten verlegt an den letzten freiwilligen Wohnorten von Opfern der Nazi-Herrschaft sollen den Opfern ihren persönlichen Platz wiedergeben. Die Erinnerung findet nicht (nur) in der Erwähnung in einer geschriebenen Dokumentation oder einem zentralen Denkmal statt, sondern dort, wo die Menschen tatsächlich gelebt haben. „Stolpern“ soll man nicht physisch (die Stolpersteine sind plan verlegt), sondern gedanklich. Die Stolpersteine in den Gassen der Orte sollen auch deutlich machen, dass es um Menschen geht, die Tür an Tür mit ihren wegschauenden Nachbarn gelebt haben – und von einem Tag auf den anderen nicht mehr da waren.
Bis heute sind rd. 75.000 Stolpersteine in all den Ländern verlegt worden, in denen die Chergen der Nazis Menschen aus politischen und rassischen Gründen ermordeten. Die Stolpersteine sind somit als Netzwerk das größte – dezentrale – Mahnmal der Erde.
Mödling hatte 1938 eine kleine, aber nicht unbedeutende jüdische Gemeinde. In der Kultusgemeinde eingetragen waren ca. 350 Personen, in der Enzersdorferstraße stand eine repräsentative Synagoge, Juden beteiligten sich am Leben der Stadt – und angrenzend an den Friedhof der Stadt am Abhang des Eichkogels lag (und liegt heute noch) der jüdische Friedhof.
Nach 1945 waren keine Juden mehr in Mödling – und es wurde Jahrzehnte nicht über die geredet, die bis kurz davor noch als Arzt, Rechtsanwalt oder Geschäftsinhaber allgegenwärtig waren. Die Reste der Synagoge standen noch – überwuchert hinter einer Plakatwand. Der jüdische Friedhof wurde nicht mehr genutzt und zunehmend von Lianen und Knöterich in Beschlag genommen.
Ein Teil Lebens der Stadt war wie vom Erdboden verschwunden.
Bis in der 80er-Jahren drei Historiker aus Leidenschaft das Leben der Juden in Mödling zu rekonstruieren begannen: Roland Burger, Franz Rinner und Franz Strobl. Das Ergebnis ihrer Arbeiten veröffentlichten sie 1988 im Buch „AUSGELÖSCHT“ in der Edition umbruch, einem Mitte der 80er-Jahre gegründeten Mödlinger Autorenverlag.
Es war wohl die Initialzündung für eine schrittweise Befassung von zuerst wenigen Interessierten in der Stadt mit dem Schicksal der jüdischen Gemeinde und ihrer Mitglieder.
Auch im Gemeinderat war damals noch das provinziell-dumpfe Denken vorherrschend, das nichts von der eigenen Geschichte wissen wollte. Ein Vizebürgermeister der damaligen Zeit „zeichnete sich“ nicht nur durch die Suche nach Quellwasser, sondern auch immer noch durch seinen Fundus an Juden-Witzen „aus“. Und so lief auch die Diskussion im Gemeinderat anlässlich einer geplanten Ehrung für den Mödlinger Albert Drach 1991 nach dessen Ehrung mit dem Büchner-Preis. Aber letztlich wurde Drach – trotz Widerstands (!) – geehrt und auch unter den Gemeinderät*innen wollten sich einige nicht mehr länger mit dem „blinden Fleck“ in der Geschichte abfinden.
Es war der Initiative der Gemeinderätin Sylvia Unterrader und des jungen Stadtrats Bernhard Knipel zu verdanken, dass um die Jahrtausendwende die Idee eines würdigen Mahnmals für die zerstörte Synagoge und für ein Zusammenkommen mit aus Mödling Vertriebenen Gestalt annahm.
Im Herbst, anlässlich der 1.100-Jahrfeier der erstmaligen Erwähnung von Mödling wurde knapp neben dem früheren Platz der Synagoge in der Enzerdorferstraße ein Denkmal eingeweiht und wurden aus diesem Anlass ehemalige Mödlinger Familien zu einer „Reunion“ eingeladen. Zu der Zeit hatte sich eine Gruppe gebildet, die die Veranstaltung vorbereitet, die Gäste während ihres Aufenthalts betreut und in Folge versucht haben, die Kontakte aufrecht zu erhalten.




Die Gruppe, die das Reunion-Treffen begleitete war in Folge Kern bei den ersten Schritten auf der Suche nach Spuren von ermordeten Mödlinger*innen. Diskutiert wurde auch die Frage, in welcher Form ein würdiges Gedenken an diese Opfer in der Stadt möglich wäre. Berhard Knipel, der aus privaten Gründen bereits knapp vor seiner Übersiedlung nach Köln stand, hatte dort die ersten Stolpersteine von Gunter Demnig gesehen und uns in Mödling Gebliebene mit dem Projekt bekannt gemacht. Und wir fanden die Idee gut…
(Fortsetzung in meinem BLOG).
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