29.1.2023 Landtagswahl

Kann man sich als GRÜNER über +1% für die eigene Partei freuen?
Kann man sich als GRÜNER über den Absturz der allmächtigen ÖVP freuen?
Kann man sich als GRÜNER über eine jämmerliche SPÖ freuen?
Wenn gleichzeitig eine Partei, die überall sonst in Europa als rechtsradikal eingestuft würde, 1/4 der Stimmen bekommt?
Zur ÖVP
Ich sag nicht, dass die ÖVP für Niederösterreich alles falsch macht / gemacht hat. Kulturell hat sie (OK: Pröll) viel weiter gebracht in dem früher sehr provinziellen Bundesland, hat ein bissl Identität geschaffen und – ehrlich – auch in der Energieberatung / -politik ist einiges gelungen (viel zu wenig, wir wissen es, aber deutlich mehr als in anderen Bundesländern und mit der eNu gibt´s eine Organisation mit vielen guten Leuten, die über viel Know-How verfügen und das auch weiter geben).
Aber natürlich hat die ÖVP das Land Jahrzehnte als ihr Eigentum betrachtet. Jobs nur für die eigenen Leute, sowas gibt´s in Wien schon lange nicht mehr. Die Selbstherrlichkeit der Landespolitik bis hinunter in die Gemeinden ist einer modernen Demokratie schon lange nicht mehr würdig.
Und so hat auch die Wahlwerbung der ÖVP ausgesehen, eigentlich eine Anmaßung! Keine Spur, absolut keine Spur von irgendeiner inhaltlichen Festlegung, sondern nur „ich bin das Land“! / „wählt das Land“!
Auch von „ÖVP“ war auf den Wahlplakaten und -Foldern kaum etwas zu sehen.
„Gemeinsam“ für NÖ! Ausgerechnet die ÖVP für „gemeinsam“???
Bei der Art von Auftritt wurden die Wähler:innen im Unklaren gelassen, ob diese Partei für oder gegen Vermögenssteuern ist / für oder gegen Windräder / für oder gegen Zersiedelung oder what ever – nichts!
OK, man weiß, wie die ÖVP tickt und wohin sie politisch will (dass alles so bleibt und vor allem die ÖVP ihre Macht und Positionen behält): aber in der Wahlwerbung war nichts zu sehen oder zu hören!
Die ÖVP ist das Land. Und eine Stimme für die ÖVP ist eine Frage der Loyalität zum Bundesland. Gespenstisch!
Dass die ÖVP in einer Zeit, in der Skandale ohne Ende publik werden, ihre Hosen verliert, wäre eigentlich logisch, schon lange überfällig und nichts weniger als zu bejubeln.
Wenn, ja wenn!
Wenn vernünftige neue politische Kräfte entsprechend stärker würden, das Land öffnen und die versteinerten Strukturen aufbrechen könnten. Dann wäre der 29. Jänner ein guter Tag gewesen.
Die Sozialdemokraten
Aber so war es nicht. Die SPÖ hat mit einer Wahlwerbung ähnlich einem „Satireprojekt“ (Der Standard) vom Verlust der ÖVP nicht nur nicht profitiert, sondern selbst noch einmal epochal verloren! Das muss man sich einmal vorstellen: die ÖVP jammert (meiner Meinung nach zu Unrecht) über die Bürde, als Regierungspartei den Unmut der Menschen über die Pandemie, den Krieg und dessen (?) Folgen zu spüren zu bekommen. Aber die SPÖ? Die Genoss:innen sind seit Jahren in der Opposition und keppeln eh gegen alles und jedes. Aber eine politische Linie und Strategie? Fehlanzeige.
Gegen hohe Preise – das soll eine politische Forderung sein? Abgesehen davon, dass auch in Wien die Preise für Energie der kommunalen Versorger genau so steigen, wie überall sonst: wo werden Preise gemacht? Sind das politische Entscheidungen? Was würde passieren, wenn die SPÖ die Wahl gewonnen hätte (eh unmöglich): würden dann die Preise sinken? Oder war und ist diese Forderung eine Verarschung der Bevölkerung, weil ohnehin nicht umsetzbar? Was wird die SPÖ das nächste Mal plakatieren? Besseres Wetter? Natürlich ist die Preissteigerung ein drängendes Problem und wer sonst, als eine Partei, die die soziale Frage auf ihren Fahnen stehen hat, muss sich darum kümmern? Aber da geht´s um Abfedern der Teuerung / um Steuerfragen / um Umverteilung (!!!). Aber nein: sie fordern, dass die Preise wieder sinken sollen. Ja eh, aber das glaubt ja genau niemand, dass das die SPÖ erreichen könnte.
Die Kleinen
Ich hatte gehofft, das die NEOS vom Desaster der ÖVP profitieren könnten, dass die sog. Liberalen aus der ÖVP (was immer das in Österreich und insbesondere in der ÖVP sein mag) zu den NEOS abwandern. Dass ein bissl mehr geistige Offenheit und der Ruf nach Transparenz für aufgeklärte, bürgerlich denkende Menschen attraktiv wären. Leider nein.
Und die GRÜNEN? Gut, ein bissl gewonnen und wieder so stark, wie vor 10 Jahren. Eh. Und viele haben sich sehr engagiert. Aber haben wir nicht gesagt, dass das die letzte Wahl ist, wo man noch etwas gegen die Klimakatastrophe machen kann? Was werden wir in 5, was in 10 Jahren propagieren? Offenbar ist das für viele Leute schon langweilig! Und die Jungen wählen die FPÖ…
Für unsere Ansprüche und unsere Verantwortung muss dieses Wahlergebnis zu wenig sein!
Und die „Freiheit“lichen
Und so muss man an diesem Tag ein demokratiepolitisches Desaster zur Kenntnis nehmen: fast alles, was ÖVP (und SPÖ) verlieren, geht zur FPÖ! Zu einer Partei, die am äußerst rechten Rand des politischen Spektrums steht. So wie sich Kickl bei den Corona-Schwurbler-Demos aufgeführt hat, hatten ja manche schon gedacht, dass er sich endgültig ins politische Abseits gedribbelt hat. Dabei rede ich noch gar nicht von den unzähligen Korruptions-Skandalen, für die FPÖ-Politiker:innen verantwortlich waren, von Ibiza (!) und gerade in Niederösterreich von der „Arbeit“ des Landesrats von ÖVPs Gnaden, Waldhäusl, den „Hanni“ bei der unerträglichen Podiumsdiskussion ein paar Tage vor der Wahl ausdrücklich gelobt hat.
Alles vergessen? Oder egal? Gewählt wurde von 1/4 der Wähler:innen die Partei der Schwurbler, der Putin-Versteher, der ungenierten Korruption und eine Partei, die beim Appell des Bundepräsidenten für die Wahrung der Menschenrechte und zum „niemals vergessen!“ sitzen bleibt und demonstrativ nicht applaudiert.
Aber egal, wie unerträglich diese Partei auch sein mag: ÖVP und SPÖ umwerben sie und kommen ihr immer wieder und immer weiter entgegen. DAS ist der Grund für diesen schwer zu ertragenden Trend nach ganz rechts in Österreich: dass keine klaren Linien gezogen werden, dass Positionen hoffähig werden, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären und dass eine Partei als „normal“ im politischen Diskurs behandelt wird, die nicht „normal“ ist, sondern das Land und die Demokratie umdrehen will. Wenn ein ÖVP-Innenminister ohne Zwang die Menschenrechtskonvention in Frage stellt, dann ist das 1. ein Zeichen für den Zustand der ÖVP und 2. ein Steilpass für Rechtsaussen. Dass Leute wie Schlögl seitens der SPÖ bejammern, dass die SPÖ ausgegrenzt würde (wo eigentlich?), ist ein weiterer Jammer und eine Ursache für die immer weitere Akzeptanz der FPÖ. Haben diese Berufs-Politiker:innen von SPÖVP noch immer nicht genug von ihren politischen Taktik-Spielchen, bei denen es nur darum geht, am nächsten Tag irgend einen minimalen Vorteil für sich und seine Partei herauszuholen? Ganz egal, was das längerfristig und für den politischen Zustand des Landes bedeutet?
Die politische Lage in diesem Land ist seit gestern wieder ein Stück schrecklicher und beängstigender.
Ich muss ehrlich sagen: ich fürchte mich ein bisschen…
Das alles ist ziemlich pessimistisch. Aber heute fällt mir – auch für mich selbst – keine positive Perspektive ein.
Keine Angst, das Ergebnis ist zwar zum Fürchten, aber nicht so schlimm. Oder auf gut österreichisch: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“ De facto kommt als Botschaft die Forderung: „Neue Gesichter braucht das Land.“ Politik ist eine persönliche Angelegenheit und ein Gesicht vermittelt mehr als dicke Programme. Hier besteht die Herausforderung für ÖVP, SPÖ und Grüne. Die SPÖ hat mit Andi Babler ein solches Gesicht, der gewinnt und doch zu einem Programm steht (das diametral zum FP-Programm angesiedelt ist). Auch die Grünen werden nicht da herum kommen. Bei der ÖVP sehe ich Hopfen und Malz verloren, zu verknöchert sind die Sobotkastrukturen.
Gerhard Berka, 30/01/23 12:19
Lieber Gerhard,
danke für Deine Analyse und Deine Haltung. Ich sehe die Gesamtsituation etwas nüchterner:
Die ÖVP ist reif für die Opposition. Niemand will dieses Getueî länger mitmachen. Die Wahlbotschaften waren dümmliches Gestammel. Die Spitzenkandidatin agierte spürbar ohne rechte Freude.
Die SPÖ hat weder irgendwelche Zielgruppen ausgemacht noch angesprochen. Der sympathische Spitzenkandidat lief neben den Schuhen.
Die FPÖ hatte die solideste Wahlwerbung, alles Sprüche waren seit Haiders Zeiten erfolgreich getestet – warum sollte man als Hasspartei funktionierende Hassparolen ändern.
Die Grünen waren (noch) besser als ich erwartet hatte. Mich freut sehr, dass man in Bezirk und Stadt Mödling deutliche Prozente dazugewinnen konnte, mit glasklaren Botschaften. Bravo!
NEOS hat mit Fokus auf die sympathische und im besten Sinn angriffige Spitzenkandidatin gut geworben und in Stadt und Bezirk ebenfalls deutliche Prozente dazugewinnen können. Bravo!
Jetzt braucht es gegen die FPÖ nicht nur „Haltung“, wie zack.zack schreibt, sondern ein STRATEGIE – tagtäglich, von morgen bis zum nächsten Wahltag. Nicht leicht, aber lohnend.
Peter Prischl, 30/01/23 12:32
Wo waren denn die Grünen, die Sozialdemokraten als soziale Gewalt so richtig einsetzte und Ungeimpfte derart über so lange Zeit in Österreich diskriminiert worden sind? https://www.youtube.com/watch?v=20a3xXdZYdI
Wer von den Grünen ist aufgestanden und hat Stopp geschrien, hat gefordert, hört auf damit und dass Kindern und Jugendlichen weiterhin durch Schulschließungen und übertriebenen, masslosen Massnahmen Schaden zugeführt worden ist?
Die meisten haben geschwiegen, manche sind gar der Strafeslust verfallen, obwohl seit spätestens Anfang August 21 von der CDC abwärts bekannt war, dass eine Übertragung durch die Impfung nicht verhindert wird? Ein Zeitdokument. Grüne und Rote werden erst dann wieder ernst zu nehmen sein, wenn sie bereits sind, sich ihrem Schweigen und Ausüben von sozialer Gewalt als Thema zu stellen. Ansonsten bleibe ich dabei, dass ich die F für unwählbar finde. Anschauen, wie weit es ging, bei was die Grünen mitgemacht haben, was sie zu verantworten haben. Frage aufgreifen: Wie konnte es verdammt noch einmal so weit kommen? Wie konnten die Grünen dies zulassen? Völlig unwählbar ist grün geworden. So schaut es aus. Da hilft auch kein Ablenken von den eigenen Versäumnissen , Beteiligungen und tw. Strafeslust, die emporgekrochen ist in doch gar nicht so wenigen Linken. Endlich mal die harte Sau rauslassen dürfen, mit gesellschaftlich-medialem und kirchlichen Segen. Schämen sollen sich alle, die mitgemacht haben.
Inge Palme, 31/01/23 04:01