Angelobung der Frau Landeshauptmann

23.März 2023 in interessant

Heute wird (wurde) die neue NÖ Landesregierung angelobt.
Mit „normalen“ politischen Kriterien bewertet haben wir in Niederösterreich seit heute eine rechts-rechtsextreme Koalition am Ruder.

Das ist nicht nur schlimm, das ist eine Schande.

Dass der ÖVP die Rechtsextremen näher stehen als alles, was sie links von sich vermuten, ist (leider) bekannt, ist so etwas wie die politische DNA des politischen Katholizismus in Österreich.

Vor ziemlich genau 90 Jahren, am 4. März 1933 hat der damalige christlich-soziale Bundeskanzler Dollfuß, noch heute ein Held für die ÖVP, im Handstreich das Parlament ausgeschaltet und die Demokratie beseitigt. Die rechte Bundesregierung hatte ohnehin auch schon vor dem Putsch massiv gegen die SDAP und das Rote Wien agiert, ihren Todfeind. Aber nach 1933 existierten keine demokratischen Institutionen mehr, auch der VfGH war zur Untätigkeit verurteilt, also gab es keine Hemmungen mehr, gegen die Sozialdemokratie zu Feld zu ziehen, seit der letzten Wahl 1930 immerhin stärkste Partei im Nationalrat!

Genau in diesen Tagen 1933 wurde in Deutschland Hitler Reichskanzler. Dollfuß nutzte eine formale Panne in der Geschäftsordnung des Österreichischen Parlaments um sich als Mini-Hitler zum Diktator aufzuschwingen. Als die Einflussnahme aus Deutschland dann in den Jahren bis 1938 immer massiver wurde, gaben die Christlich-Sozialen letztlich lieber das Land preis, als mit den Sozialdemokrat:innen auch nur zu reden.

Ich weiß nicht, ob damals viele Leute so naiv waren, an das „christlichen“ Gewissen der „Schwarzen“ zu appellieren; heute tun das einige. Der christliche Charakter der katholischen Parteien hat aber tatsächlich eher alttestamentarische Dimensionen. Letztlich sind „die Roten“ für die ÖVP, wie zuvor für die Christlich-Sozialen Abschaum, G´sindel: „Marxisten“ halt, die den Bürger(lich)en Geld und Privilegien stehlen wollen. Was sie zusammenhält, ist der Wille, die gesellschaftliche Entwicklung aufzuhalten und – wenn sich die Gelegenheit bietet – sie zurückzudrängen. Diktator Dollfuß sprach damals davon, die letzten 150 Jahre der Geschichte rückgängig machen zu wollen, also die Entwicklung seit der Französischen Revolution, den Siegeszug der Aufklärung.

Viel wurde nach 1945 vom „Geist der Lagerstraße“ gesprochen, also von einer Änderung der Einstellung der Politiker:innen der beiden Großen Lager in dem Sinn, auf einander zuzugehen, Kompromisse zu suchen. Es hatte wirklich lange den Eindruck, dass sich das Klima zwischen links und rechts im Licht des Desasters der 30er-Jahre gebessert hätte. Ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher: tatsächlich hatte die ÖVP kaum jemals eine praktikable Option, mit den Ex-Deutschnationalen, also der FPÖ gegen die Sozialdemokratie zu regieren – bis zu Schüssel. Die Bildung einer schwarz-blauen Regierung im Feber 2000 war damals „der“ Tabubruch seit dem Krieg, das Zusammengehen der katholischen ÖVP mit ganz rechts.

Seither hat sich die FPÖ immer weiter nach rechts entwickelt – und die ÖVP belohnt sie mit ungebrochenen Akzeptanz, ganz egal welche bis dahin Unsäglichkeiten damit zum common sense werden.

Der bis jetzt letzte Schritt in der Richtung ist die Koalition in St. Pölten. Viele Kommentator:innen konstatieren, dass sich die Niederösterreichische FPÖ schon fast unverhohlen als rechtsextrem gibt, die rechteste Landesgruppe in Österreich ist.

Die Alternative – eine Koalition mit der SPÖ – hat die ÖVP nach kurzem Geplänkel fallen lassen. Die Begründung war ziemlich hanebüchen: die Öffentlichkeit war nicht dabei, also weiß man nicht, was wirklich passiert ist. Vielleicht hat die SPÖ wirklich taktische Fehler bei den Verhandlungen gemacht. Aber die ÖVP-NÖ, die ohnehin nicht gewohnt ist, überhaupt verhandeln zu müssen, hat wieder eine Gelegenheit beim Schopf gepackt, sich von der demokratischen Mitte abzuwenden.

Viele werfen der ÖVP vor, ihre Wähler:innen verraten zu haben. Das ist nicht Ansatzpunkt meiner Kritik. (Die NÖN will gerade eine Zustimmung von 83% der ÖVP-Wähler:innen mit der Koalition herausgefunden haben. Q: NÖN 2023#12). Viele Leute wählen aus unterschiedlichen Gründen die FPÖ. Tatsache ist aber, dass durch dieses ständige Schielen auf Zusammenarbeit mit der FPÖ diese Partei in immer breiteren Kreisen der Bevölkerung ganz „normal“ wählbar wird. Dass die ÖVP durch das Zusammengehen mit den Freunden vom ganz rechten Rand selbst immer mehr ins autoritäre Fahrwasser abdriftet, ist dann nur noch eine logische Folge.

Ganz grundsätzlich: sich dabei immer auf die Entscheidung der Wähler:innen auszureden, ist an sich schon ein Armutszeugnis für eine politische Partei. Ich bin der Meinung, dass Parteien im Wettbewerb Perspektiven aufzeigen, den Wähler:innen auch Denkrichtung anbieten müssen – statt nur hinterherzuhecheln. (Darauf reden sie sich aus, machen sie aber eh nicht, denn letztlich bestärken sie die Wähler:innen natürlich mit ihren Koalitionsentscheidungen.)

Die ÖVP hat diese erneute Grenzüberschreitung jetzt in Niederösterreich versucht und ich habe keinen Zweifel, dass der Bund bei nächster Gelegenheit nachziehen wird. Vielleicht wird es ein außenpolitisch begründetes Feigenblatt geben mit einem Bundeskanzler, der nicht Kickl heisst. Aber vielleicht eh auch nicht.

Deshalb hoffe ich, dass die GRÜNEN bis zur letzten möglichen Sekunde in der Regierung bleiben, denn danach haben wir mit einiger Sicherheit schwarz-braun auch im Bund. (Nehammer hat das ja schon – kaum verhohlen – angekündigt.)

Was bleibt uns, die für einen stabiles, kooperatives, demokratisches politisches System stehen? Außer Verzweiflung…

Wir können hoffen, dass die FPÖ wieder ein Ibiza, eine Hypo Alpe Adria, Knittelfeld oder was immer produziert. Das wird ziemlich sicher eintreten, aber das kostet meist wahnsinnig viel Geld und ist so gar nicht nachhaltig. Gut, eine Wahl ist die FPÖ dann wieder unten. Aber diese Wähler vergessen schnell. (Eine Partei, die ihren Helden auch nach einem finanzielle Desaster in seinem Bundesland und einem „Abgang“ mit besoffenen 140km/h im Wohngebiet ungebrochen feiert, kann sich letztlich alles erlauben.)

Oder, alle, die an einer liberalen Demokratie westlichen Zuschnitts interessiert sind (ich schreib das einmal so schlagwortmäßig), werden sich der Dringlichkeit bewusst und arbeiten in den wichtigsten demokratiepolitischen Fragen zusammen. Ich glaub, die beiden vergangenen Präsidentschaftswahlen waren ein Gradmesser: eine – kleine – Mehrheit will eine offene Demokratie in Österreich, repräsentiert durch Alexander van der Bellen, der dafür – logischerweise – von der FPÖ massiv attackiert wird.

Wenn man jetzt nicht deutlich Flagge zeigt, wacht man möglicherweise in einer politischen Situation auf, die wieder keineR gewollt haben wird…

2 Kommentare Kommentieren

Kommentare

  1. Wäre mit ein paar kleinen redaktionellen Veränderungen auch passend gut den „Kommentar der Anderen“ im STANDARD 👏

    Klaus, 30/03/23 08:49

  2. Danke für diesen Artikel und die kritischen Worte.

    Eine besorgte Bürgerin aus Mödling, 10/06/23 11:42

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